Dieser Artikel wurde ursprünglich im "Chicago Point" Magazin veröffentlicht (Ausgabe 52, November 1992). Später
wurde er für die Backgammon-Gemeinde im Internet bereitgestellt und liegt nun erstmals mit freundlicher Erlaubnis
des Autors auch in deutscher Übersetzung vor.
Übersetzung ins Deutsche von
Hardy Hübener.
Jack Kissane, Backgammon Meister aus Albany, New York, ist in vielen Chouette-Zirkeln als schnellster Pip-Zähler der Welt
bekannt. In einem Interview mit dem "Chicago Point" Magazin im Juni 1989 gab er an, den Pipcount für fast jede Backgammon-Stellung
innerhalb von fünf Sekunden berechnen zu können.
Hier stellt er der Backgammon-Gemeinde erstmals seine Technik vor. Viel Spaß dabei!
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Pips zählen - wie stehen Sie dazu? Eine Last? Eine Notwendigkeit? Oder halt ein Teil des Spiels? Einige Spieler
würden nie im Traum daran denken, den Pipcount einer Stellung zu berechnen oder können es schlichtweg nicht.
Andere verwenden den Pipcount viel zu oft als Entscheidungsgrundlage. Am Ende eines anstrengenden Turniertages
oder während einer die ganzen Nacht dauernden Chouette kann das Berechnen des Pipcounts zu einer wahren Tortur
werden, was die dann sowieso schon beschränkte Denkfähigkeit weiter beeinträchtigt. Jedoch - ein oder zweimal
im Verlauf eines Spiels ist die Kenntnis des Pipcount entscheidend um den richtigen Zug zu wählen, oder -
noch wichtiger - die richte Dopplerentscheidung zu treffen.
Im Lauf der Jahre habe ich ein System entwickelt, das die benötigte Zeit zur Ermittlung des Pipcounts
signifikant reduziert. Ich nenne es Cluster Counting
1) . Ich hoffe, dass dieses ziemlich einfache System
ihnen helfen wird, die Plackerei mit dem Pipcount zu minimieren und somit die Freude am Spiel nachhaltig
zu steigern.
Das Grundprinzip des Cluster Counting basiert auf Referenzpositionen (RP), die mit zwei Ausnahmen
alle einen durch 10 teilbaren Pipcount ergeben. Durch mentales Verschieben von Spielsteinen
können aus jeder Position heraus diese Referenzpositionen erreicht werden, um so zu einer schnellen
und genauen Ermittlung des Pipcounts zu kommen. Im folgenden stelle ich meine sieben
grundlegenden Referenzpositionen vor:
Durch Multiplizieren des Werts des Mittelpunkts einer jeden 5-Prime mit 10, erhält man den Pipcount dieses Clusters
aus zehn Steinen. Die folgende Position zeigt eine 5-Prime vom 4- bis zum 8-Punkt.
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Schwarz = 60
Der 6-Punkt ist der Mittelpunkt dieser 5-Prime. Somit ergibt sich der Pipcount für diese
10 Steine aus 10 x 6 = 60 (10 Steine multipliziert mit dem Wert des Mittelpunkts 6),
da der Wert der Steine auf 5- und 7-Punkt im Durchschnitt 6 ergeben, ebenso der Wert der
Steine auf dem 4- und 8-Punkt.
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Schwarz = 42
Das geschlossene Board kann man sich einfach als eine 5-Prime (RP #2) um den 4-Punkt vorstellen,
plus zweier zusätzlicher Steine auf dem 1-Punkt.
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Schwarz = 70
Jeweils fünf Steine auf dem 6- und dem 8-Punkt.
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Schwarz = 30
Jeweils zwei Steine auf dem 7- und 8-Punkt.
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Schwarz = 40
Fünf Steine auf dem 8-Punkt.
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Schwarz = 62
Jeweils zwei Steine auf dem Mittelpunkt und dem gegnerischen Bar-Punkt.
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Schwarz = 40
Zwei Steine auf dem Mittelpunkt und einer auf dem 14-Punkt.
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Diese sieben Referenzpositionen ergeben zusammen mit den Schlüsselpunkten und Spiegelpositionen, die ich gleich
vorstellen werde, das Rückrat des Cluster Counting.
Die am häufigsten verwendeten Schlüsselpunkte sind der 5- und der 20-Punkt (der gegnerische 5-Punkt).
Weitere relativ wichtige Schlüsselpunkte sind der 10-, 13- und 15-Punkt.
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Schwarz = 40 Weiß = 40
Diese Position zeigt zwei Beispiele, wie man einen Cluster von 8 Steinen
zählt, indem man sich alle Steine auf dem 5-Punkt vorstellt. Achtmal fünf ergibt
einen Pipcount von 40.
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Der gegnerische 5-Punkt, also der eigene 20-Punkt, ist der wohl hilfreichste Schlüsselpunkt. Man
kann quasi alle Steine, die im gegnerischen Heimfeld stehen zählen, als stünden sie auf dem 20-Punkt
und braucht dann nur noch die Pips zusätzlich berücksichtigen, die die Spielsteine vom 20-Punkt
entfernt sind:
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Schwarz = 108 Weiß = 89
Schwarz' Pipcount beträgt 108. Man erhält den Pipcount, indem man sich die 5 Steine auf dem 20-Punkt
vorstellt (Pipcount von 100) und für die beiden Steine auf dem 22-Punkt zweimal 2 Punkte hinzuzählt und
für den Stein auf dem 24-Punkt noch einmal 4 Punkte addiert.
Weiß' Pipcount beträgt 89: 80 für die
insgesamt 4 Steine, plus einmal 4 für den Stein auf dem 24-Punkt und einmal 5 für den Stein auf der Bar.
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Spiegelpositionen sind ein weiteres wichtiges Hilfsmittel für die Berechnung des Pipcounts. Ein beliebiger
Stein auf dem Board ergibt, zusammen mit einem Stein, der ihm direkt gegenüber liegt stets 25 Pips. Zum
Beispiel der 5-Punkt und der 20-Punkt, der 1-Punkt und der 24-Punkt oder der 12-Punkt und der 13-Punkt.
Dementsprechend haben vier Steine die sich 2:2 gegenüber stehen einen Pipcount von 50. Die Positionen
10 und 11 zeigen ein paar Beispiele:
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Schwarz = 50 Weiß = 50
Schwarz: ( 20 + 5 ) x 2 = 50
Weiß: ( 13 + 12 ) x 2 = 50
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Schwarz = 50 Weiß = 50
Schwarz: ( 24 + 1 ) + (23 + 3) = 50
Weiß: ( 18 + 7 ) x 2 = 50
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Okay. So weit - so gut! Es wäre schön, wenn das Board jedes Mal, wenn den Pipcount benötigt, aus den
soeben beschriebenen Positionen bestehen würde. Unglücklicherweise ist das nur äußerst selten der Fall.
Glücklicherweise aber lassen sich diese einfach zu zählenden Cluster relativ einfach formen, indem man
die Steine mental verschiebt. Also im Geiste, ohne Hand an die Spielsteine anzulegen.
Das mentale Verschieben geschieht, indem man Steine vorwärts verschiebt, bin man Schlüsselpunkte oder
Referenzpositionen erreicht hat und dann den Betrag des Verschiebens zu dem Pipcount hinzuzählt.
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Schwarz = 137 Weiß = 121
Schwarz' Pipcount kann einfach in drei Cluster unterteilt werden: 40 (acht Steine á 5) + 33
(RP #4 plus 3 Pips) + 64 (drei Steine á 20 plus 4).
Unterteile Weiß in drei Cluster, um einen Pipcount von 121 zu erhalten: 44 (5-Prime um den
4-Punkt als Mittelpunkt, plus 4 für das Verschieben von zwei Steinen vom 7- auf den 5-Punkt)
+ 33 (dreimal zehn plus 3 Pips für das Verschieben vom 13- auf den 10-Punkt) + 44 (zweimal
20 plus 4).
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Anmerkung: Zwei von Weiß' Steinen wurden zur Berechnung auf Weiß' 5-Punkt verschoben, der
durch zwei schwarze Steine besetzt ist. Beim mentalen Verschieben spielen die Steine des
Gegners keine Rolle und können einfach ignoriert werden.
Das mentale Verschieben in zwei Richtungen unterscheidet sich vom Verschieben in einer Richtung darin, dass
einige Steine vorwärts und andere rückwärts verschoben werden, um so Referenzpositionen oder
Schlüsselpositionen zu erreichen. Wenn die entgegensetzen Verschiebungen um die selbst Anzahl Pips erfolgt,
kompensieren sich die Verschiebungen jeweils, sind also Pipcount-neutral sind.
Befinden sich die zu verschiebenden Steine auf einer Seite des Boards (also unten oder oben) so kompensiert
man das Verschieben eines Steines (z.B. von rechts nach links) dadurch, dass man einen anderen
Stein entsprechend entgegengesetzt verschiebt (also in diesem Fall von links nach rechts).
Befindet sich ein Stein auf der unteren Hälfte des Boards und der andere zu verschiebende Stein
auf der oberen Hälfte, so gleicht man ein Verschieben oben in der einen Richtung (z.B. von
rechts nach links) durch ein Verschieben auf der unteren Hälfte in derselben Richtung aus (also
hier ebenfalls von rechts nach links).
Position 13 liefert hierfür ein Beispiel:
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Schwarz = 135 Weiß = 142
Schwarz' Steine auf der unteren Hälfte des Boards kann man leicht zu einem 5-Prime (mit Mittelpunkt 7)
formen, indem man jeweils einen Stein vom 8- und einen vom 6-Punkt auf den 7-Punkt verschiebt. Da sich
die Steine beide auf der unteren Hälfte des Boards befinden, gleichen sich die entgegengesetzten Bewegungen
Pipcount-neutral aus. Ergibt insgesamt also 70 (der soeben geformte 5-Prime) + 65 (fünf Steine auf dem
13-Punkt) = 135.
Wenn man jeweils einen weißen Stein vom 8- und einen vom 13-Punkt nach rechts verschiebt (andere Boardhälfte,
selbe Richtung), so erhält man oben einen 5-Prime und in der linken unteren Ecke die RP#7. Ergibt also
drei Cluster: 60 (5-Prime) + 40 (RP#7) + 42 (zwei Steine auf dem 20-Punkt plus 2) = 142.
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Es sollte erwähnt werden, dass es meist mehrere Möglichkeiten gibt, Cluster zu formen. In Position
13 beispielsweise könnte man, anstatt einen 5-Prime zu formen, die zwei Steine auf dem 9-Punkt auf
den 8-Punkt verschieben und das durch Verschieben von zwei Steinen vom 5-Punkt auf den 6-Punkt
kompensieren, wodurch man RP 3 erreicht, die bekannter weise auch 70 Pips ergibt.
Lassen Sie uns für ein paar Stellungen den Pipcount ermitteln und dabei das Erlernte anwenden. Dazu
werden ein paar Stellungen gezeigt. Zu jeder dieser Stellungen wird auch die dazugehörige, durch mentales
Verschieben erreichte Stellung gezeigt, ohne allerdings den Weg zu erklären, wie diese Position erreicht
wurde. Erkennen Sie die Position wieder? Wenn nicht, setzen Sie sich an ihr Board und probieren
es selbst einmal aus; es sollte dann klar werden.
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Schwarz = ? Weiß = ?
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Durch mentales Verschieben in zwei Richtungen erhält man diese Position:
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Schwarz' Pipcount kann in drei Clustern gezählt werden: 40 (5-Prime um den 4-Punkt als Mittelpunkt), +
50 (Spiegelposition auf dem 7- und 18-Punkt) + 10 (ein Stein auf dem 10-Punkt).
Weiß' 84 Pips können als zwei Cluster gesehen werden: 44 (5-Prime + 4) + 40 (4 Steine auf der 10).
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Schwarz = 100 Weiß = 84
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Schwarz = ?
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Nach mentalem Verschieben erhält man für Schwarz folgende Position:
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Schwarz' Pipcount kann in drei Clustern gezählt werden: 30 (sechsmal die 5) plus 43 (RP #5 plus 3) + 84
(dreimal die 20 plus 7) = 157
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Schwarz = 157
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Weiss = ?
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Nach mentalem Verschieben erhält man für Weiß folgende Position:
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Weiß' Pipcount kann in drei Clustern gezählt werden: 42 (acht mal die 5 plus 2) + 40 (RP #7) + 67 (dreimal die 20 plus 7) = 149
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Weiß = 149
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Schwarz = ? Weiß = ?
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Nach Verschieben erhält man diese Position:
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Schwarz' Pipcount kann hier in zwei Clustern wie folgt berechnet werden: 66 (zwölfmal die 5 plus eine 6) +
40 (zweimal die 20).
Weiß' 100 Pips können auch in zwei Clustern gezählt werden: 30 (sechsmal die 5) + 70
(wieder einmal RP #4 plus 10 für zwei Steine, die vom 13- auf den 8-Punkt verschoben wurden).
Anmerkung: Weiß hat in Position 16a nur 14 Steine auf dem Spielfeld. Die zwei Steine auf dem 3-Punkt wurden
in unterschiedliche Richtungen verschoben, einer auf dem 6-Punkt, der andere vom Board herunter.
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Schwarz = 106 Weiß = 100
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Wie schon erwähnt, gibt es beim Cluster Counting meist mehrere Methoden, um den Pipcount einer Position
zu ermitteln. Man nehme einfach die Cluster-Formation, die man auf den ersten Blick erkennt.
Hierzu ein Beispiel:
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Hier gibt es gleich drei Arten, den Pipcount mit minimalem Aufwand an mentalem Verschieben zu berechnen:
a. 63 (5-Prime um den 6-Punkt plus 3) + 75 (fünfmal die 13 + 10 durch Verschieben der zwei Steine vom 18 auf den 13-Punkt) oder
b. 63 (5-Prime um den 6-Punkt plus 3) + 62 (RP #6) + 13 (Stein auf dem 13-Punkt) oder
c. 50 (Spiegelposition von jeweils 2 Steinen auf dem 12- und 13-Punkt; erreicht durch Verschieben eines
Steins vom 13-Punkt auf den 12-Punkt und einmal vom 11- auf den 12-Punkt) + 50 (Spiegelposition auf
dem 7- und 18-Punkt) + 30 (sechsmal eine 5) + 8 (Stein auf dem 8-Punkt).
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Schwarz = 138
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Nun, das ist das System. Mein Sortiment an Referenzpositionen ist keinesfalls vollständig. Sie kennen sicherlich
auch noch ein paar andere Positionen oder werden solche noch kennen lernen, die sich ebenfalls gut als Referenzposition
eignen.
Wird es ihre Spielstärke verbessern, wenn es Ihnen gelingt, die Methode des Cluster Counting anzuwenden, oder zumindest
einen mühseligen Teil des Backgammon Spiels angenehmer gestalten?
Ja, da können Sie drauf wetten!
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1) Anm. d. Übers.: Ich habe bewusst darauf verzichtet, den Begriff "Cluster Counting" ins Deutsche zu übersetzen, da ich den Begriff
für sehr prägnant halte und mir eine pfiffige Übersetzung nicht einfallen wollte. Ein Cluster ist eine Anhäufung, eine Gruppierung,
ein Bündel; in unserem Fall also eine Gruppe von Steinen auf dem Board. Counting heißt Zählen. Beim "Cluster Counting" geht es also
darum, den Pipcount einer Position durch Kenntnis des Pipcounts typischer Gruppierungen von Steinen zu ermitteln.
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Letzte Aktualisierung: 06. Januar 2007
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